Positionspapier der EWA: Bäder sollen über Schließung selbst entscheiden dürfen, Finanzhilfen und Investitionsprogramme nötig

Fakten zur aktuellen Situation der Freizeitbäder und Thermen in der Energiekrise und zur Position der European Waterpark Association e.V.

 Was ist die Position der European Waterpark Association e.V. zur Diskussion um Bäderschließungen aufgrund der steigenden Energiepreise und möglicher Engpässe in der Gasversorgung?

Die European Waterpark Association e.V. spricht sich klar dafür aus, eine Entscheidung über eine Fortführung des regulären Betriebs, eine mögliche Reduzierung des Angebots oder gar eine Schließung von Anlagenteilen oder kompletten Bäderbetrieben den Bädern selbst zu überlassen. Diese können am besten beurteilen, zu welchem Zeitpunkt welche Maßnahmen sinnvoll und erforderlich sind – aus wirtschaftlichen Gründen und auch aus Sicht ihrer Gäste.

Wir setzen uns dabei nicht nur für die Freizeitbäder und Thermen ein, sondern für alle öffentlichen Bäder, die für die Gesundheitsvorsorge und das soziale Miteinander von essentieller Bedeutung sind. Stufenpläne, in denen ein Bädertypus gegen den anderen ausgespielt wird, sind eindeutig das falsche Signal an die Politik. Unsere Forderung: Die öffentlichen Bäder müssen offenbleiben können, anderweitige Entscheidungen müssen den jeweiligen Betreibern überlassen bleiben und dürfen nicht „von oben“ verordnet werden!

 

Welche Folgen hätte eine Schließung der Bäder, vor allem der großen Freizeitbäder und Thermen?

Gerade die großen Freizeitbäder und Thermen haben nachweislich erhebliche positive Effekte auf das regionale Wirtschaftsleben. An einigen Standorten sind sie sogar der größte Steuerzahler der Gemeinde. Schließungen hätten daher nicht nur direkte negative Auswirkungen auf den Bäderbetrieb, sondern auch auf das gesamte Wirtschaftsleben in der Region. Eine exemplarische Studie im Auftrag der Stadtwerke Osnabrück ergab, dass deren drei Bäder einen Beschäftigungseffekt von 120 Vollzeitarbeitsstellen und einen regionalen Einkommenseffekt von 6,9 Millionen Euro pro Jahr haben[1]. Bei einer Schließung werden also auch viele andere regionale (und überregionale) Wirtschaftsbetriebe direkt und indirekt in Mitleidenschaft gezogen.

Noch ein weiterer wichtiger Faktor: Werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder in Kurzarbeit gezwungen, droht eine erneute Abwanderungswelle in vermeintlich sicherere Branchen. Der ohnehin schon gravierende Personalmangel in einigen Bäderbetrieben wird verschärft. Bei Kurzarbeit ist daher ein finanzieller Ausgleich bis zum vollen Nettolohnbetrag zwingend erforderlich. Nur so können zudem auch die genannten Sekundäreffekte auf das regionale Wirtschaftsleben gesichert werden.

 

Benötigen die großen Freizeitbäder und Thermen nicht besonders viel Energie und ist es daher nicht sinnvoll, diese ggf. als erste zu schließen?

Nein, das ist gerade nicht sinnvoll. Nach Ermittlungen der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen verzeichneten sportorientierte Hallenbäder im Jahr 2019 durchschnittlich 101.456 Gäste (inkl. Schulen und Vereine), freizeitorientierte Hallenbäder dagegen 243.235 Gäste[2], also das 2,4-fache Besucheraufkommen. Die Freizeitbäder und Thermen der European Waterpark Association e.V. konnten im gleichen Jahr durchschnittlich 367.911 Gäste begrüßen, hatten also etwa das 3,7-fache Gästeaufkommen eines Sporthallenbades. Die größten Freizeitbäder in Deutschland liegen sogar um das 18-fache über dem Durchschnitt eines Hallenbades.

Die durchschnittlichen Wasserflächen und Raumkubaturen der Freizeitbäder und Thermen liegen aber nicht um das 2,4- bzw. 3,7- bis 18-fache über dem eines Sportbades (bei Sportbädern mit einem oder mehreren 50m-Wettkampfbecken kann deren Wasserfläche sogar größer sein als die in Freizeitbädern). Daher sind Freizeitbäder und Thermen unter Berücksichtigung der Besucherströme sogar ökonomischer und ökologischer als Sporthallenbäder. Dies bestätigt auch der CO2-Fußabdruck, den die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen für die unterschiedlichen Bädertypen auf Grundlage des Strom- und Wärmebedarfs ermittelt hat. Dieser liegt bei den sportorientierten Hallenbädern mit 7,80 kg Co2 pro Gast über dem Wert von 7,70 kg CO2 pro Gast bei den freizeitorientierten Hallenbädern. Berücksichtigt man zudem, dass ein Großteil der Energiekosten als Fixkosten anfallen und nur ein geringer Teil (z.B. über Wasseraustrag aus den Becken und Duschwasser) variable Kosten sind, dann liegt der CO2-Verbrauch pro Badegast in den besucherstarken Freizeitbädern und Thermen der European Waterpark Association e.V. sogar noch einmal deutlich niedriger als in der genannten Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen ausgewiesen. Damit ist die CO2-Bilanz der freizeitorientierten Hallenbäder bezogen auf den Pro-Kopf-Wert wesentlich besser als bei sportorientierten Hallenbädern.

 

Was sind die Forderungen der European Waterpark Association e.V. an die Politik?

Wir brauchen keine unüberlegten Bäderschließungen aus rein populistischen Gründen (nur um symbolischen Sparwillen zu demonstrieren), sondern eine sorgfältige Abwägung der Argumente, die für und wider eine Einschränkung des Angebots sprechen. Dabei sind auch Aspekte der öffentlichen Gesundheitsvorsorge und des sozialen Miteinanders zu berücksichtigen. Statt einer von Partikularinteressen geprägten engen Sicht sind bei dieser Entscheidung auch die volkswirtschaftlichen Folgen in die Kalkulation einzubeziehen: Nach einer 2018 veröffentlichten Studie der britischen Sheffield Hallam University, die auch auf andere europäische Länder übertragen werden kann, werden pro £ 1 Investition in Sport und körperliche Aktivität £ 3,28 als Return on Investment durch Einsparungen im Gesundheitswesen etc. generiert[3]. Die Forderungen der European Waterpark Association e.V. an die politischen Entscheidungsträger sind daher eindeutig:

  • Eine erneute Schließung der öffentlichen Bäder, die durch die Coronakrise ohnehin stark belastetet waren (und dies betrifft nicht nur die Bäder selbst, sondern auch die Zulieferer und Dienstleister) muss verhindert werden.
  • Die öffentlichen Bäder in Europa brauchen Finanzhilfen zum Ausgleich der steigenden Energie- und sonstigen Betriebskosten, um diese für die öffentliche Gesundheit und das soziale Miteinander so wichtigen Anlagen weiter betreiben zu können.
  • Wir brauchen Investitionsprogramme zur nachhaltigen energetischen Optimierung der Bäder.

 

Was tun die Bäder und die European Waterpark Association e.V., um den Energie- und speziell den Gasverbrauch in ihren Anlagen zu senken?

Sehr viel! Die European Waterpark Association e.V. hat eine umfangreiche Checkliste erstellt, in der alle technischen, baulichen und betrieblichen Maßnahmen zur Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs aufgelistet werden. Die Bäder selbst haben bereits seit Jahren viele Beiträge zur energetischen Optimierung und Verbesserung der CO2-Bilanz geleistet, weil diese nicht erst seit den aktuellen Energiepreissteigerungen wirtschaftlich notwendig und ökologisch sinnvoll sind. So sind die Rückgewinnung von Wärmeenergie aus dem Dusch- und Beckenwasser und der Raumluft über Plattenwärmetauscher und der Einsatz von frequenzgesteuerten Pumpen heute ebenso Standard wie Photovoltaikanlagen. Erfolgreiche Projekte mit dem Einsatz nachhaltiger Energiequellen (z.B. Holzhackschnitzel, Biogas, Erdwärme) zeigen, dass eine Umstellung von erdgasbetriebenen Blockheizkraftwerke auf diese Optionen zukunftsweisend ist. Dies kann nicht jeder Bäderbetrieb von heute auf morgen umsetzen und es bedarf entsprechender Förderprogramme. Aber das Ziel und der richtige Weg sind bekannt und erste Schritte sind in allen Bädern bereits getan!

 

[1] Ermittelt durch Prof. Dr. Klaus Kost, Project Consult GmbH Essen, im Auftrag der Stadtwerke Osnabrück.

[2] DGfdB Bäderreport 2019

[3] Sport Industry Research Centre (SIRC) at Sheffield Hallam University for Sport England: Social Return on Investment of Sport and Physical Activity in England, Sheffield 2018, S. 2 und S. 13